Ageism bei Menschen mit Demenz im Gesundheitswesen!? – Erhöhtes Risiko in Zeiten der Pandemie? – Zwei Beispiele aus eigener Praxis als gerontologischer Einzelbegleiter:
2020-06-18 12:00:00
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Ein typisches Beispiel ganz aktuell: Dame mit Demenz kommt in Begleitung des Sohnes ins Krankenhaus mit Mastdarmprolaps. Im Krankenhaus macht man keinerlei Anstalten der Dame irgendeine kausale oder problemlösende Therapie anzubieten. Stattdessen wird der Zustand der Dame, die alleine lebt primär defizitorientiert dem Sohn gegenüber beschrieben. (Unterwäsche nicht ganz sauber. Von der Dame selbst improvisierte Inkontinenzversorgung.) Es wurde letzlich gänzlich von eigentlichen Anliegen und aktuellen Behandlungsbedarf ablenkend interagiert. Die Dame wurde ohne Lösung nach Hause geschickt und das an zwei Abenden hintereinander. Rudolfsstiftung. Nun war ich zwar nicht dabei und habe auch keine inhaltliche Expertise. Jedoch waren wir seither bei einem Urologen und einem.allgemeinmediziner weil es leider auch einen leichten Harnwegsinfekt sowie Rückenschmerzen links bein Beckenschaufelknochen ca. gibt. Beim Angehörigen löst so etwas nicht selten eine ängstliche und heftige Reaktion aus. Der schämt sich dann und fühlt sich bei Versäumnissen ertappt und ist in der Situation in der Defensive. Meine Hypothese ist hier dass der Covid19 Stress im System eine ageistische Tendenz im Gesundheitswesen (ab diesem und jene Alter „zahlt sich eine Behandlung nicht mehr aus“) Als gerontologischer Betreuer kann ich mich sehr wahrscheinlich erfolgreich dafür einsetzen, dass die Dame eine zielführende Therapie für das eigentliche gesundheitliche Problem bekommt. Das viel größere Problem scheint mir, dass hier von Teilen des medizinischen und pflegerischen Systems dermaßen defizietorientierte angstbesetzte Perspektiven in solchen Krisenmomenten ausgelöst werden, dass hier dann plötzlich auf Überbetreuung gesetzt wird. Und diese ist nmE tödlich. Ein trauriges Beispiel: Ich habe kürzlich eine liebe Klientin sehr rasch auf ähnliche Weise verloren: nach einem.Sturz hat man sie nicht mehr ins vertraute Appartement rehabilitiert. Obwohl das möglich gewesen wäre. Wie ich noch im Spital gesehen habe. Aber auch hier wurden die Angehörigen gezielt mit defizitorientierten Wahrnehmungen gefüttert. Ich möchte beinahe sagen manipuliert. Sodann wurde die mobile Dame in ihrer Demenz mit einem perfiden Möbelstück, das einem Lehnstuhl gleicht welcher ganz nach hinten in die Liegeposition gekippt werden kann fixiert. So verliert man die Rest-Orientierung und die Mobilität. Wenige Wochen nach Übersiedlung in die Betreuungsstation verstarb die Dame nach raschem Verfall.. natürlich kann hier eine körperliche Erkrankung eine Rolle gespielt haben aber wenig überraschend gab es keine Anstrengung für Diagnose und Therapie. Das fiel dann in den Beginn des Lockdowns ihre letzte Lebenswoche. Man hatte meine Kritik mit den Worten gekontert ob ich unterstellen möchte,.dass.man die Klientin ins Bett pflegt. Ich meine dass man genau das getan hat. Ich vermute man wollte keine auf der Station umherirrende fordende „Demente“ argumentiert hat man mit dem Sturzrisiko. Warum dieses Beispiel? Weil ich Sorge habe, dass hier durch Beauftragung einer 24 Stundenbetreuung eine Dequalifizierung der Klientin erfolgen wird. Dass es zu einer versorgenden und kontrollierenden einschränkenden Betreuung kommen wird mit Ruhigstellen im Konfliktfall und depressivem Rückzug der Klientin ins Bett.. Ich versuche mich einzusetzen, dass man die Betreuung Hilfe schrittweise angepasst an die jeweiligen Defizite der Klientin steigert. Und außerdem hoffe ich und freue ich mich falls hier Organisationen und Kräfte zum Einsatz kommen die Ressourcen und Fähigkeiten der Klientin erhaltend arbeiten. Hoffe diese Hoffnungen bewahrheiten sich und nicht die Befürchtungen. Ich denke es ist aber realistisch in der CoVid – Zeit eher pessimistisch zu sein in solchen Angelegenheiten..