Von Sokrates und Nietzsche zur modernen Prozessberatung und retour: Die Expertise des Nichtwissens, ein zentrales Qualifikationsmerkmal ihres Supervisors / ihrer Supervisorin
2024-02-07 20:31:00
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In der gegenwärtigen Arbeitswelt, die von ständigem Wandel und zunehmender Komplexität geprägt ist, spielt die Expertise des Nichtwissens eine entscheidende Rolle in der Prozessberatung. Dieser Ansatz ermöglicht es Beratern und Beraterinnen, vorgefasste Erklärungs- und Lösungsmodelle zu hinterfragen, um das Erkunden neuer Wege zu neuen erstrebenswerten Zielen anzuregen und umsichtig zu begleiten. Ed Schein, einer der prominentesten Experten auf dem Gebiet der Organisationsentwicklung, äußert sich ähnlich Sokrates: "Je mehr ich weiß, desto mehr erkenne ich, dass ich nichts weiß" (Quelle: Schein, E. H. "Helping: How to Offer, Give, and Receive Help"). Diese Anerkennung der eigenen Begrenztheit bildet eine Grundlage für einen offenen und flexiblen Beratungsprozess: Eine beraterische Kernkompetenz besteht darin, ein Gleichgewicht in der Aufmerksamkeit dem Gegenüber sehr aufmerksam zu sein, sich aber selbst auch laufend zu beobachten. Vor allem die Offenheit zu pflegen, eigene Erklärungsmodelle und Lösungsideen laufend zu hinterfragen und die/den Beratenen nicht damit zu „überholen“, sondern sie in ihrer Ideenfindung zu unterstützen. Die Expertise des Nichtwissens ermutigt die Beratenen dazu, Visionen und Wünsche zu entwickeln, die als Ziele dienen. Klaus Scala und Königswieser betonen die Notwendigkeit, die Komplexität der Organisationen zu akzeptieren und offen für neue Perspektiven zu sein (Quelle: Königswieser, R., & Schmid, B. "Systemische Intervention: Architektur für Beratung und Organisationsentwicklung"). Indem sie gemeinsam auf eine Reise des Entdeckens gehen, können sie neue Horizonte erschließen und innovative Lösungen finden. In der Praxis äußert sich die Expertise des Nichtwissens darin, dass der Berater oder die Beraterin gezielte Fragen stellt und dem Klienten oder der Klientin dabei hilft, eigene Gedanken zu visualisieren und zu strukturieren. Sonja Görlich unterstreicht die Bedeutung dieses Prozesses und ermutigt dazu, sich auf eine Reise des gemeinsamen Entdeckens zu begeben (Quelle: Görlich, S. "Systemische Prozessberatung: Grundlagen und Methoden der Beratung in Organisationen"). Auf diese Weise wird Klarheit gefördert und der Entstehung guter Ideen Raum gegeben. Die Wurzeln der Expertise des Nichtwissens lassen sich bis zu den philosophischen Ideen von Friedrich Nietzsche zurückverfolgen. Sein Aufruf "auf die Schiffe ihr Philosophen" erinnert uns daran, dass es um das In-Bewegung-Kommen, das gemeinsame Aufbrechen, auch um seelische und geistige Risikobereitschaft geht – den Mut aufzubringen, in unbekannte Gewässer aufzubrechen. In der heutigen Arbeitswelt, die von Unsicherheit und Komplexität geprägt ist, ist die Expertise des Nichtwissens eine zentrale beraterische Tugend auf die sie achten sollten, wenn Sie sich ihr Gegenüber für diejenigen, die nach neuen Lösungen und innovativen Ansätzen suchen. Dies kann nicht wenig dazu beitragen, dass auch Organisationen sich erfolgreich an Veränderungen anpassen und langfristigen Erfolg erzielen.